Kathrin Hausel »Stranger in Paradise«
Sa., 17. Oktober 2015 | 19.00 Uhr – Vernissage
So., 18. Okt. – Sa., 14. Nov. 2015 – Ausstellung
„Stranger in Paradise” ist der Titel der aktuellen Werkschau Kathrin Hausels. In ihren neuesten Arbeiten nähert sie sich malerisch dem Schicksal eines Menschen auf seiner Reise in die Fremde an. Dabei orientiert sich Hausel an Motiven der Irrfahrten des Odysseus aus Homers „Odyssee“. Im heutigen Sprachgebrauch ist der Begriff der Odyssee zum Synonym geworden für eine endlos scheinende Irrfahrt. In ihrer Annäherung an das Schicksal des nun Fremden richtet Hausel den Focus auf die beklemmende Atmosphäre einer solchen mühevollen, von unvorsehbaren Eindrücken und Emotionen geprägten langen Reise voller Ungewissheit. Etliche Bilder zeigen schnappschussartige Szenen bei Nacht, als alles schlief und der Garten blühte und der Teufel kam.
Über die Arbeiten Kathrin Hausels:
„Kathrin Hausel bewegt sich zwischen Zeichnung und Malerei, zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, auf hohem Niveau selbstverständlich und auf eine Art, die den Betrachter gefangen nimmt, ihn mit ins Bild hineinzieht.
Hausel widmet sich dem Thema Mensch auf sehr intime, hochpoetische Weise und gewinnt ihm ungewöhnliche Perspektiven ab. Zumeist sind es Portraits, Darstellungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sie in ihrer unverwechselbaren Handschrift ohne Sentimentalität auf die Leinwand bringt. Dabei bricht sie gewohnte Denkmuster und Sehweisen auf. Hausels Arbeiten entstehen in der Fürther Badstraße 8, wo sie ihr Atelier gefunden hat.“
(Jürgen Gräser, Art 5I3)
Wie gelangte ich dorthin? Hatte ich eine lange Reise? Was habe ich erlebt auf meinem Weg? Kam ich mit einem Boot? Auf einem Floß? Welche Hindernisse musste ich überwinden? Welche Schwierigkeiten meistern? Welche Gefahren überstehen? Wie sehe ich aus? Schlafe ich in einem Zelt?
Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung im Kunstverein Kohlenhof von Barbara Leicht M.A.
Sehr geehrte Gäste,
ich beobachte Kathrin Hausel nun seit geraumer Zeit und durfte ihr Werk schon auf zwei Gruppenausstellungen in der Badstraße und im Stadttheater Fürth vorstellen. Ihre Arbeiten mochte ich von Beginn an, denn die Künstlerin besitzt eine große Gabe die Menschen, die ihr wichtig sind oder die sie interessieren veristisch und subtil in einer ungewöhnlichen Sichtweise zu erfassen. Die Malerin hat den letztjährigen Kulturförderpreis der Stadt Fürth erhalten – das verdientermaßen. Sie ist in Fürth geboren und ist nach ihrem Studium an der Hochschule in Alfter bei Bonn in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Ihr Atelier befindet sich im Holzhaus des alten Fürther Flussbads in der Badstraße, das die Kommune zeitweilig am liebsten niedergelegt hätte. Ein guter, ein kreativer Ort, der vom Charme seiner Historie und seiner Lage lebt und durch die Kunstateliers und die dortigen Kulturveranstaltungen wiederbelebt wird. Die Badstraße ist bis auf weiteres gerettet und dem Hunger der Investoren entzogen.
Als ich die neuen Werke von Kathrin Hausel sah, habe ich mich gefreut, dass diese außergewöhnliche Künstlerin neue inhaltliche Ufer gesucht hat und ein wenig davon abgekommen ist, ihre zwei, mittlerweile drei Kinder in nichtalltäglichen Posen, nasebohrend und Speichelblasen blubbernd zu malen. Das hat sie hervorragend gemacht; sie ist eine Virtuosin der Inkarnatmalerei, also der Darstellung der Haut, ist aber, da sie reifer geworden ist, nun zum Entschluss gekommen, ein neues Kapitel in ihrem Oeuvre zu schreiben.
Stranger in Paradise, die Ausstellung hier im Kohlenhof berührt ein eigentlich archaisches Thema:
Es geht um den Menschen, der aus welchen Gründen auch immer einen Ortswechsel vollzieht oder sogar aus seinem Heimatland auswandert. Das ist ein gerade hochaktuelles Thema, das im Unterbewusstsein der Künstlerin schlummerte und innere Bilder in ihr erzeugte, die sie nun freisetzte.
Hausel möchte sich in ihren Aussagen nicht genau festlegen. Daher hat sie in der Geschichte zurückgeblickt und analysiert, wohin schicksalsträchtige Fahrten geführt haben könnten. So stieß sie auf die Homerische Odyssee, ein Epos in 24 Gesängen mit über 12.000 Hexameterversen, von denen nur vier Gesänge auf die eigentliche Irrfahrt des Odysseus eingehen. Das ist auch der bekannteste Stoff der etwa im 8. Jh. v.Chr. niedergeschriebenen Geschichte.
Die Künstlerin gibt in ihrer Installation aus Gemälden und Objekten partiell Hinweise auf die Odyssee und bezieht sich konkret auf einzelne Szenen – u.a. das Floß, mit dem Odysseus von Kalypso in Richtung Heimat floh oder geheimnisvolle Anmutungen des Zauberwalds der Circe.
Bewährungsproben des Menschen: nicht die Götter haben ihn in die Irre geführt, sondern sich durch unethisches Verhalten selbst. Homer lässt Zeus im ersten Gesang der Odyssee folgendes sprechen:
„Wehe, wessen nun klagen uns Götter die Sterblichen an Sagen: Von uns kämen die Übel, selbst doch schaffen sie gegen das Schicksal sich aus eigenem Frevel ihr Leiden.“
Der Mensch kann sich dem Willen der Götter fügen, tut er‘s nicht muss er die Konsequenzen tragen. Das lässt sich an vielen Stellen der Odyssee herauslesen.
Gebote zum Verhalten sind archaisch und keine Erfindung des modernen Menschen, Gesetze wie unter anderem die zehn Gebote haben sich entwickelt, um das Leben in einer Gemeinschaft zu regulieren. Das Epos empfiehlt unterschwellig ein korrektes ethisches Verhalten.
Das zentrale Objekt ist das Floß, das Hausel aus Schläuchen von Autoreifen, einer großen Holzpalette, Schaffellen und Filzdecken aufgestellt hat. Die Felle beziehen sich auf die Flucht des Helden und seiner Gefährten aus der Höhle des Zyklopen Polyphem, des einäugigen Riesen, dem die Seeleute aus Ithaka nur mit einer List entfliehen. Dass die Gefährten in diese Lage gerieten, hatten sie sich selbst zuzuschreiben, denn sie wollten den Riesen bestehlen und sind daher in seine Höhle eingedrungen. Nachdem sie ihn täuschten und ihn blendeten, seine zu Hilfe gerufenen Brüder ihm jedoch nicht halfen, gelang es den Irrfahrern sich an den Bäuchen seiner Schafe hängend aus der Gefangenschaft davonzustehlen. Die Textur des Fells macht die Reise durch Kathrin Hausels Installation ironischen Sinn behaglicher.
Odysseus hat mit Intellekt und Entschlossenheit gehandelt und das Problem gelöst. Die aristokratische Gesellschaft Griechenlands hat sich mit dem Helden identifizieren können, daher und auch wegen der Darstellung des eigenen Lebensstils war das Epos so beliebt.
Es finden sich Arbeiten in der Ausstellung, die die Blendung in die heutige Zeit übertragen, und uns, den Betrachter durch Blitze von Smartphones irritieren. Treibt man den Vergleich weiter, kann man interpretieren, dass die Virtualität uns irgendetwas vorspiegelt, uns mit Pseudowelt blendet. Das möge nun jeder für sich selbst auslegen.
Der zweifach gespiegelte Rückenhalbakt einer schönen Frau verweist auf die Sirenen, die stets dieselbe Strategie verwandten, um die Seefahrer in die Irre zu leiten. Sirenen gibt es auch heute, sie versprechen eine schöne, eine heile Welt und das gelobte Land.
Jene Realität sieht ganz anders aus als das in Echtzeit Kommunizierte und Versprochene. Sie ist für die modernen Seefahrer, resp. Flüchtlinge, die über das Meer nach Europa gelangen, eine riesengroße Enttäuschung. Die Erfahrung für die den Kriegsgebieten Entflohenen ist bitter: Hallen, Heime und Hass wiegen schwerer als die anfänglich überbordende Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.
Stranger(s) in Paradise – ja, sie sind noch immer da, die Fremden.
Das Paradies: darunter stellt sich der Fremde gewiss etwas anderes vor.
Das mag ein Teil vom Dahinter dieser Installation sein. Ebenso spielt Hausel mit dem Bild des Maskierten auf den Wechsel der Identität an, der den Teilnehmern in Chatrooms und von Computerspielen vieles möglich macht und der Unbekannte sein wahres Wesen nicht preisgeben muss, um zu einem Ziel zu gelangen. Auch Odysseus, der Aristokrat, hat sich als Bettler verkleidet, um unerkannt nach Hause zurückzukehren.
Die dünne, raschelnde Plastikplane verunklärt ihr Dahinter. Diagonal im Raum verspannt ist sie eine Metapher für Wind, Wasser, Wellen und die Permanenz unserer Mobilität und des Reisens, woher wir auch immer kommen und wohin wir auch immer gehen werden. Was die Zukunft bringt, wissen wir nicht, manchmal können wir es ahnen, ähnlich wie die Folie, die nur schemenhaft Werke durchscheinen lässt. Und im Blick zurück ist die Vergangenheit unabänderlich. Das Hier und Jetzt ist der Bereich, in dem wir leben, in dem wir wahrnehmen.
Malerisch traut sich Kathrin Hausel nun auch zu im großen Format skizzenhafter zu arbeiten, das bekommt dem Werk gut, trotzdem sie für ihr Können als brillante Naturalistin mit weichem Duktus und authentischer Handschrift sehr geschätzt wird. Ausschnitthaft greift sie zu Motiven aus der heutigen Bildwelt und reizt den Betrachter zum Nachdenken.
Denn heute ist die Darstellung eines kleinen Schlauchbootes oder eines Fischerkahns kein Romantizismus, sondern ist nun mal belegt und behaftet mit Bildern von in Seenot geratenen Flüchtlingen, mit Fregatten der Küstenwache, mit Ertrunkenen und Eindrücken, die die Medien aus den Auffanglagern Lampedusas und anderer Mittelmeerorte in unsere warmen Wohnzimmer übertragen.
Kathrin Hausel vollbringt es in ihrer Ausstellung archaische Bilder und archaische Geschichte mit aktuellen Versatzstücken aus der Welt der globalen Informationsgesellschaft zu verknüpfen, virtuos, anspruchsvoll, nicht selbsterklärend, nicht unkritisch. Dazu kann man ihr nur gratulieren.